Hast Du Töne!

Richard Carson Steuart ist ein Mensch, der nicht locker lässt. Vor einem reichlichen halben Jahr erschien der stattliche, hoch gewachsene Musiker mit dem charmanten englischen Akzent in unserem Museum und verlangte – nach dem Chef. „Lassen Sie mich durch, ich bin Trompeter!“ sagte er zwar nicht wörtlich, aber genau dieses Selbstbewusstsein strahlte sein entschlossenes Auftreten aus. Im Gepäck hatte er mehrere Blasinstrumente, sorgsam in Koffern verwahrt. Eines davon war der Nachbau „unserer“ Reiche-Trompete, ein silbern schimmerndes Instrument, das der Maler Elias Gottlob Haussmann auf seinem Porträt des barocken Bläservirtuosen Gottfried Reiche verewigt hatte. Steuart packte es aus und blies los: ungewohnte Klänge im Direktorenzimmer. Mit diesem unüberhörbaren Argument wollte er Museumsdirektor Volker Rodekamp von einem Konzert im Alten Rathaus überzeugen.

Abwegig war das nicht, denn Gottfried Reiche war Senior-Stadtmusicus und Erster Ratsmusiker Leipzigs, aber vor allem der wichtigste Trompeter für Johann Sebastian Bach. Der Thomaskantor schrieb dem begnadeten Bläser etliche Kompositionen auf den Leib, die heute zu den bedeutendsten Stücken der Musikliteratur gehören. Das Weihnachtsoratorium mit seinen anspruchsvollen und berühmten Trompetenpartien zählt dazu. Reiches plötzlicher Tod am 6. Oktober 1734 nach der anstrengenden Freiluft-Aufführung der Huldigungskantate „Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen“ ging in die Leipziger Annalen ein.

Das Originalinstrument dieses Lieblingstrompeters von Bach ist leider nicht überliefert. Doch anhand von Haussmanns Gemälde hat es Richard Carson Steuart detailgetreu nachbauen lassen. Er ist allerdings nicht der Erste; bereits zu DDR-Zeiten wurde vom Rat des Bezirkes, Abteilung Kultur, ein Nachbau in Auftrag gegeben. Damals fertigten die Metallblasinstrumenten-Baumeister Friedbert und Frank Syhre eine „Trompete in zirkulärer Form“, die bis heute im Alten Rathaus präsentiert wird. Seit 2015 beschäftigte sich nun auch der aus Kanada stammende Steuart mit dieser, wie er sagt, „ursprünglichen und wahren Bach-Trompete“ und fand heraus, wie das legendäre Instrument, das durch seine gewundene Form an ein Horn erinnert, überhaupt gespielt wurde. Einfach ist es nämlich nicht, solch einem historischen Nachbau ohne Klappen oder Ventile schöne Töne zu entlocken. Unser Museumsdirektor vertraute dem Können des charismatischen Musikers und gab grünes Licht. So wird Steuart nun in einem Gesprächskonzert am Samstag, d. 18. November, 15 Uhr, das Instrument exklusiv vorführen. Er wird erläutern, wie er der mutmaßlichen Spieltechnik von Bachs Trompeter auf die Spur gekommen ist und für eine Wiederbelebung dieser ursprünglichen Technik des „Clarin0-Blasens“ werben. Das Ganze findet an jenem Ort statt, an dem Reiche seinen „Arbeitsplatz“ hatte, im Festsaal des Alten Rathauses. Eigens für diesen Anlass wird das Reiche-Porträt von Elias Gottlob Haussmann gezeigt.

Wir sind gespannt und freuen uns auf Besucher. Der Eintritt ist frei.