Bespielt, bewahrt und ausgestellt

Papiertheater waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg beliebte Spielzeuge bürgerlicher Kinderzimmer. Man konnte mit ihnen vom Märchen über Abenteuerstücke bis zu Klassikern des „großen“ Sprechtheaters oder der Oper alle modernen Themen nachspielen. Kinder übten sich dabei im Basteln, Deklamieren oder Musizieren, häufig zusammen mit der ganzen Familie. Sie konnten so auf spätere eigene Theaterbesuche vorbereitet werden.

Das Stadtgeschichtliche Museum besitzt 10 sogenannte „Proszenien“. Das sind kleine Bühnen aus Pappe und Holz, die aussehen wie ein echtes Theater vor etwa 150 Jahren, mit aufwendigen Verzierungen und oft sogar einem Vorhang, den man öffnen und schließen kann. Auch zu Theaterstücken gibt es aus verschiedenen Schenkungen der letzten Jahrzehnte Kulissen und Figuren. Oft fehlen aber Teile, die beim Spielen oder in den Jahrzehnten danach verloren gingen, oder sie sind beschädigt – das Schicksal vieler Kinderspielzeuge! Eine dieser Bühnen konnte kürzlich dank der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft, dem Förderverein des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, restauriert und ausgestellt werden.

Diese Sammlung erhielt 2017 einen großartigen Zuwachs. Aus einer Familie mit Wurzeln in Leipzig erhielten wir eine beeindruckende Sammlung solcher Kulissen und Figuren. Bis zu 70 verschiedene Stücke können mit ihnen „inszeniert“ werden – natürlich keine modernen Stücke, sondern solche, von denen Teile dieses historischen Spielzeugs in der Familie aufbewahrt wurden. Darunter befinden sich mehrere von Grimms Märchen, außerdem Goethes „Faust“ oder die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber, aber auch der Jugendbuchklassiker „Die Reise um die Erde in 80 Tagen“ von Jules Verne. Es sind Stücke darunter, über die unsere Sammlung bisher noch nicht verfügte, dazu zählt etwa Mozarts „Zauberflöte“. An den Bühnendekorationen und Kostümen ist der Zeitgeschmack des Historismus bis hin zum Jugendstil gut erkennbar.

Die Sammlung stammt aus der theaterbegeisterten Familie des Philologen Alfred Odin (1889–1958). Er war Rektor der Buchdrucker-Lehranstalt Leipzig. Sie wurden vermutlich bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt und von der Familie aufbewahrt. Die Kulissenteile wurden im Haus in Leipzig auf dem häuslichen Dachboden aufbewahrt.

Die Schenkung ergänzt den bereits vorhandenen Bestand an Papiertheatern um weitere Themen und ist dank ihrer Geschlossenheit von besonderem Wert.

Märchenfiguren und -Kulissen davon wurden in der Ausstellung „MärchenSpiele. Von Zauber, Mut und Abenteuer“ ausgestellt. So konnten wir die Ausstattung der Märchen „Aladin und die Wunderlampe“, „Rotkäppchen“ und „Dornröschen“ rekonstruieren. Sie stammen aus dem Programm der großen Verlagshäuser für Papiertheater, Joseph Scholz in Mainz bzw. J.F. Schreiber in Esslingen.

Die Schenkerin, Frau Ursula Odin, besuchte im Februar unsere Ausstellung und sah sich auch in der Papierwerkstatt an, wie die Sammlung gereinigt und nun gut geschützt aufbewahrt wird. Besonderen Eindruck machte, in welcher Farbenpracht diese gedruckten Kulissen nun strahlen. Marion Elaß und Ines Seefeld, die Mitarbeiterinnen der Werkstatt, erreichten dies durch eine spezielle Trockenreinigung der Oberflächen mit Reinigungsschwämmen aus Naturlatex. Zudem wurden für die Papiertheater-Kulissen neue Schutzverpackungen aus Archiv-Wellpappe angefertigt.

Unser Tipp: Besuchen Sie unsere Objektdatenbank im Internet und schauen Sie sich den Bestand an Papiertheatern selbst an.

Viel Vergnügen!