Vom Rollbrettfahren auf dem Schoko-Board

Ungläubiges Staunen bis schallendes Gelächter – dies waren die Reaktionen junger  Leipziger Skater auf eine Sequenz im Film „This Ain’t California“. Dieser Streifen wurde am 22.6. in unserer  Ausstellung IN BEWEGUNG im Stadtgeschichtlichen Museum gezeigt. Regisseur Marten Persiel baute in seinem 2012 entstandenen Kinofilm, der die Entwicklung des Skateboardens in der DDR thematisiert, ein kleines Werbefilmchen der DDR-Sport- und Spielgerätemarke Germina ein, das wohl um 1986/1987 entstanden sein muss und mit etwas unfreiwilliger Komik die Vorzüge des „Rollbrettfahrens“ als neue Trendsportart pries. Insider wissen: Skaten mit einem Gummistopper an der Brettspitze vorn unten als empfohlene Bremsvorrichtung geht gar nicht. Und dann war noch das leidige Problem mit der Qualität dieses Brettes: die Holzplatte sehr dünn, die Oberfläche extrem glatt, die Achsen und Räder viel zu schmal und störanfällig. Und das alles für 135 Mark – wahrlich kein Pappenstiel für ein minderwertiges Sportgerät aus dem VEB Schokoladen-Verarbeitungsmaschinen Wernigerode. Das einzige in der DDR industriell hergestellte Brettmodell hatte daraufhin schnell den Spitznamen „Schoko-Board“ weg und konnte, wenn überhaupt, nur in umgebauter Version genutzt werden. Hier waren dann wieder die Qualitäten der DDR-Tüftler und -Bastler gefragt. So schilderte es auch detailreich und kurzweilig der aus Leipzig stammende Skater Torsten „Goofy“ Schubert  in der anschließenden Gesprächsrunde, moderiert vom Skateboard-Experten Dirk Pohlmann.

Die erste Skatergeneration der DDR sah ihre Vorbilder im Westfernsehen, das ab etwa Mitte der 1970er Jahre über die Skaterszene in den USA und in der BRD berichtete. Es war nicht nur eine damals völlig andere Art, sich im öffentlichen Raum rasant und mit Körpereinsatz zu bewegen – es war vor allem der Ausdruck eines Lebensgefühls und der Versuch, in den eingeschränkten Möglichkeiten des DDR-Alltags und dessen Freizeitgestaltung unkonventionell zu sein und sich ein Stück Freiheit zu verschaffen. Dass dies die DDR-Staatsmacht auf den Plan rief, verwundert nicht, agierte die Szene doch draußen auf den Straßen und Plätzen – mit auffälligen Klamotten, auf selbst gefertigten Boards und abenteuerlichen Rampen. Nonkonform und in keine Organisation gepresst – das ging damals ebenfalls nicht. Bald wurden daraufhin im Deutschen Rollsport-Verband der DDR eigene Sektionen „Rollbrettfahren“ gegründet, die erste entstand im September 1986 in Dresden, weitere folgten in Leipzig und Halle. So versuchte man, alles in „geordnete Bahnen“ zu lenken, die weiterhin existierende freie Szene stand unter Beobachtung von Polizei und Staatssicherheit.

Lediglich ein paar Jahre war diese Skateboardszene existent, die politischen Ereignisse 1989/1990 veränderten auch hier alles: endlich das richtige Equipment, endlich ungehinderte Reisen zu internationalen Contests, endlich Freiheit. Torsten Schubert erlebte die letzten DDR-Monate nicht skateboardfahrend  auf seinem Brett vor der Moritzbastei oder in der Mädlerpassage, sondern als NVA-Soldat. Nach seinem Wehrdienst gab es das Land, in dem er und seine Freunde argwöhnisch beobachtet wurden, nicht mehr. Das freie Leben war nun Realität. Seine Liebe zum Skateboarden blieb bis heute, aktiv ist er weiterhin. Erzählt er den jetzigen Akteuren von seinem ersten „Schoko-Board“, blickt er in verwunderte Gesichter und wird belächelt. Aufgehoben hat er das Teil nicht. Schade eigentlich, denn im künftigen Sportmuseum wäre es sicher ein Highlight …