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Sport-Blick: Angeturnt

06.04.2023

Jeden Monat geben wir mit dem Sport-Blick einen Einblick in die Sammlung des Sportmuseums. Diesmal:

Angeturnt

Vor 205 Jahren wurden in Leipzig erstmals Turngeräte aufgestellt. Im Jahr 1818 brachten Schüler und Studenten aus dem Umfeld von Friedrich Ludwig Jahn vom Berliner Turnplatz Hasenheide die Idee des vaterländischen Turnens nach Leipzig – und dazu auch die erforderlichen Geräte. Über die genauen Umstände ist wenig bekannt. Quellen benennen als Standort des ersten Turnbarrens und Turnrecks einen Milchgarten in Gohlis. Dieser Ort konnte bisher nicht lokalisiert werden. Anders verhält es sich mit dem Lokal »Blaue Mütze«, dort wurden zeitgleich ebenfalls Reck und Barren im Garten aufgestellt. Die »Blaue Mütze« schloss sich an das Vorwerk »Zur alten Burg«  an, ein Areal, das hinter dem heutigen Naturkundemuseum im Bereich der Lortzingstraße verortet wird. Das Lokal lag in einer Sackgasse, abgeschirmt hinter den Vorwerksbauten. Es war ein Treffpunkt der gutsituierten Leipziger, seine abseitige Lage machte es um 1800 zu einem berüchtigten Glücksspielort. Da auch die Turner und ihr Treiben beargwöhnt wurden, wählten sie 1818 diesen »versteckten« Ort für ihre Geräteaufstellung. Bereits ein Jahr später erfolgte aufgrund der Turnsperre und Demagogenverfolgung im Deutschen Bund die Schließung aller Turnplätze. Das Turnen wurde verboten. Die hiesigen Akteure, hauptsächlich Burschenschaftler, hielten bis zur 1842 währenden Turnsperre weiterhin geheime Beratungen im Lokal ab. In dieser Zeit wurden die Geräte aus Sicherheitsgründen vermutlich von ihnen selbst entfernt.

1868 fertigte der Leipziger Künstler Friedrich Wilhelm Heine (1845-1921) eine Zeichnung, sie zeigt das Areal und das Umfeld der »Blauen Mütze«. Heine war bekannt für präzise Darstellungen. Seiner Akribie ist es zu verdanken, dass u.a. auch die beiden Turngeräte im Garten (linke Bildhälfte) festgehalten wurden. Ob sie tatsächlich 1868 noch bzw. wieder dort standen oder eher dem nostalgischen Rückblick des in der »Blauen Mütze« aufgewachsenen Malers entsprangen, bleibt offen. Für die lokale Sportgeschichte sind die auf der Farbzeichnung dokumentierten Geräte ein bemerkenswertes Detail aus der Frühzeit des Turnens in dieser Stadt.

Bilder: 
1:  Die blaue Mütze., Friedrich Wilhelm Heine, Farbzeichnung, Aquarell und Feder, Leipzig, 1868, Inv.-Nr. H 28
2:  Die blaue Mütze., Friedrich Wilhelm Heine, Farbzeichnung, Aquarell und Feder, Leipzig, 1868, Detailansicht Gartenbereich mit Turngeräten, Inv.-Nr. H 28

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