Museum on Tour – Hinter den Kulissen des Pilotprojekts

Zum Ende des Jahres und beginnenden Winter versetzen wir uns noch einmal zurück in den Sommer 2019 und blicken zurück auf unser erfolgreich gestartetes Pilotprojekt Museum on Tour, das uns viel Freude gebracht – und Nerven gekostet hat:

Am historisch denkwürdigen Datum des 17. Juni 2019 war es soweit – endlich konnten wir das Outreach-Projekt Museum on Tour mit unserem mobilen Ausstellunggefährt – liebevoll „Lasti“ genannt – der Öffentlichkeit vorstellen. „Wir“, das ist ein gemischtes Team aus dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, dem Mühlstraße 14 e.V. und einer Gruppe junger, internationaler Menschen. Das Team des Stadtgeschichtlichen Museums war vor allem für die inhaltliche Begleitung und Vorbereitung von Workshops im Museum zuständig, das Team Mühlstraße akquirierte und koordinierte die ehrenamtlichen Teilnehmenden. Die Organisation teilten sich beide Einrichtungen.

Nach einem sportlichen Zeitplan mit acht Monaten Zeit für Konzeption und Realisierung präsentierten wir ab Juni auf ausgewählten Leipziger Stadtteilfesten die Früchte dieser Kooperation. So konnten viele Leipzigerinnen und Leipziger unser Museum on Tour bereits auf unterschiedlichen Festen im Stadtraum sowie zur Leipziger Radnacht in Aktion sehen. Dabei ahnen sicherlich die wenigsten Außenstehenden, welche kleinteilige Arbeit sich tatsächlich hinter der Konzeption und Umsetzung des Ausstellungsmobils mit rund 1,5 m² Ausstellungsfläche und zehn Objektkopien verbirgt. Um es in Sinnsprüchen zu sagen: Der Teufel liegt im Detail, Gut Ding will Weile haben und Man lernt nie aus!

Gelernt haben wir zum Beispiel, dass das Scannen von Geldscheinen, vor allem von Euro, etwas heikel ist. Denn Scanner, Kopierer und Co. haben effektive Schutzmechanismen einprogrammiert, um das Kopieren oder gar Drucken von Banknoten zu vereiteln. Einige Geräte schalten sich automatisch ab, und auch ein marktführendes Bildbearbeitungsprogramm weigert sich, Geld grafisch zu bearbeiten. Das Geld benötigten wir übrigens nicht wegen des durchaus knappen Projektbudgets, sondern für die Herstellung unserer Interpretation des Inflationskleides. Unsere Grafikerin Romy Käßemodel musste etwas tricksen, damit wir die benötigten „Blüten“ aus Syrien, Jemen, Vietnam, Zentralafrika, Libyen und Europa drucken konnten.
Der syrische Schneider Mazen Al Ali setzte das Kleid dann in vielen Stunden Handarbeit nach den Vorstellungen der Gruppe um, und Projektteilnehmer Ammar Alhemaidy wirkte als Übersetzer und Dolmetscher mit. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall, denn auf den Stadtteilfesten heimste das Geldkleid die meisten neugierigen Nachfragen ein und mehrfach wollte man es uns sogar abkaufen.

Sehr gut kam auch eine unserer „Notlösungen“ an: VR-Brillen aus Pappe, mit denen ausgewählte Museumsräume und Objekte erlebbar werden. Die Idee kam bei der Frage auf, wie man großformatige Objekte wie die Sänfte im Alten Rathaus oder das Völkerschlachtdenkmal als größtes Denkmal Europas auf dem Fahrrad präsentieren könnte. Das Testen verschiedener Apps und das Aufnehmen der 360°-Bilder machte der Gruppe mindestens genauso viel Spaß wie das Anschauen der Ergebnisse durch die VR-Brillen. Die Benutzung erfolgt jedoch auf eigene Gefahr, denn die ungewohnte Optik sorgt bei manchen für spontanes Schwindelgefühl. Die für die Brillen benötigten mobilen Endgeräte erhielten wir übrigens dankenswerter Weise als Sachspende von Conrad Electronics in Leipzig.

Auch für die anderen Objektkopien musste viel probiert, verworfen und optimiert werden. In einigen Fällen hatten wir auch einfach Glück, die richtigen Künstler und Handwerker zu finden. Zum Beispiel einen Spengler bzw. Blechner, der uns Blei zur Beschwerung unserer Kopie der goldenen Amtskette des Oberbürgermeisters überließ. Oder einen Bildhauer, der uns eine Miniatur des riesigen Lipsiakopfes modellierte und schenkte – an dieser Stelle herzlichen Dank an Oliver Pötzsch und Till Deumelandt.

Zentral für das Projekt war und ist natürlich das Lastenrad als Transport- und Präsentationsmittel. Man sollte meinen, ein solches sei schnell gekauft. Doch schon die Auswahl des besten Modells entpuppte sich als eine Wissenschaft für sich. Das Rad sollte viel Stauraum bieten, stabil stehen und für sehr unterschiedliche Körpergrößen und Übungsgrade gleichermaßen geeignet sein. Nach zahlreichen Testfahrten und Abwägungen mit ständigem Blick auf das Budget entschieden wir uns auf Empfehlung des Leipziger Fahrradladens „Kettenreaktion“ für ein dreirädriges Pedelec mit Transportkiste.
Im nächsten Schritt wurde die Transportkiste nach den Plänen und Vorgaben der Gruppe angefertigt. Diese sollte Vitrine und Präsentationstisch sein und zugleich Stauraum bieten. Ein Prototyp also, der auch für die Profis von „Goldstein & Co.“, bei denen die Kiste gefertigt wurde, eine Herausforderung war.

Bis zuletzt trieb uns außerdem die Konstruktion eines transportablen, maßangefertigten und optisch ansprechenden Sonnendachs um, dessen Abwesenheit uns bei den ersten zwei Stadtfesten buchstäblich den Schweiß auf die Stirn trieb. Bei Sonnenschein und Temperaturen an die 40°C, wie zum Stadtteilfest in Paunsdorf Ende Juni, war das ein echtes Manko. Behelfskonstruktionen mit Schirm und Co. verhinderten schlimmere Sonnenbrände. Die im Handel erhältlichen Sonnendächer sind nur zum Schutz von in der Transportkiste sitzenden Kindern, wir benötigten aber eine kompakt verstaubare Lösung für stehende Erwachsene. Zwei spezialisierte Dienstleister, die wir für eine Maßanfertigung anfragten, waren zu ausgelastet, sodass wir die Sache schließlich selbst in die Hand nahmen.

Nach drei Monaten „trial and error“ war es kurz vor dem dritten Auftritt von Museum on Tour auf dem Schönauer Parkfest im August endlich geschafft. Dank des engagierten Einsatzes von Robert Brückner vom museumstechnischen Dienst können wir uns künftig unter einem kleinen und recht ansehnlichen Sonnendach schützen. Eine wind- und regenfeste Lösung steht hingegen noch aus.

Ende gut, alles gut? Wir haben auf den ersten Stadtteilfesten eine durchweg positive Resonanz erhalten und viele interessante Gespräche mit unterschiedlichsten Personen geführt. Das Projekt wurde sogar mehrfach in der laufenden Saison auf weitere Feste eingeladen. Aus personellen und finanziellen Gründen konnten wir nicht alle wahrnehmen, aber immerhin drei zusätzliche Termine nahmen wir ins laufende Tour-Programm mit auf.

Es geht natürlich weiter und wir freuen uns schon auf die nächste Runde im Sommer 2020. Von den Teilnehmenden werden berufsbedingt nicht mehr alle aus der ersten Runde dabei sein können. Wir hoffen natürlich auf neue motivierte Mitstreitende, ein oder zwei weitere Objektkopien sowie viele neugierige Besucherinnen und Besucher und eine weiterhin so herzliche und produktive Kooperation.

Die Sicht unseres Partners Mühlstraße 14 e.V. findet ihr hier.

Wir danken außerdem Herrn Albert von der Diakonie Leipzig, Frau Thiel von der Modellbauerei und Herrn Ehritt (HGB) für die freundliche Beratung und Zusammenarbeit.

Das Projekt wird gefördert durch Mittel des Freistaates Sachsen.