Sportgeschichte ist Stadtgeschichte

100 Jahre Alfred-Kunze-Sportpark | ein Beitrag von Alexander Mennicke, AKS100-Team

Leipzig weist eine reiche Sportgeschichte auf, die sich in den Beständen des Sportmuseums widerspiegelt sowie in den Sportstätten, die von einer Sportbegeisterung künden, die ihren Anfang Ende des 19. Jahrhunderts nahm. Zu den bedeutendsten Leipziger Sportstätten gehört der Alfred-Kunze-Sportpark (AKS) in Leipzig-Leutzsch.

1920, also vor 100 Jahren, als der Fußball zur Massensportart wurde und die erste Auflage der Zeitschrift „Kicker“ erschien, wurde der „Sportpark Leutzsch“ erstmals öffentlich genutzt. Insbesondere auf Betreiben des Arbeitersportvereins Jahn Leutzsch machte sich die damals noch selbstständige Gemeinde Leutzsch 1919 an die Errichtung des „Sportparks Leutzsch“. Damals war die Intention, einen Platz für viele Sportarten – also auch für Turnen, Leichtathletik, Hand- und Raffball und im Winter sogar zum Eislaufen – zu schaffen. Berühmt wurde der „AKS“ aber vor allem durch den Fußball und die hier vertretenden Mannschaften wie die TuRa, ZSG Industrie und vor allem die BSG Chemie Leipzig mit ihren Meisterschaften 1951 und 1964 sowie dem Pokalsieg von 1966.

Tribüne im Georg-Schwarz-Sportpark Leipzig-Leutzsch (Name des AKS von 1949 bis 1992), Fußballspiel der ZSG Industrie Leipzig, 1949, Foto: Photo-Schröter, Leipzig

Fußball als Massenphänomen ist keine reine Vereins- oder Sportgeschichte, sondern vereint zahlreiche kulturelle, soziale und politische Aspekte, die sich auch in der Sportanlage widerspiegeln. Der Sportpark mit seinem heiligen Rasen weist eine solche bewegte Geschichte auf. Diese zu ergründen, hat sich eine Arbeitsgruppe der BSG Chemie Leipzig e.V. auf die Fahnen geschrieben.
So wie es bei 10.000 Zuschauern ebenso viele Meinungen zu einem Fußballspiel geben kann, gab es auch im Vorfeld ganz unterschiedliche Ansichten zur Geschichte des Leutzscher Sportparks und zahlreiche Legenden zu seiner Baugeschichte. Ist etwa die Tribüne von der Regattastrecke in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Leutzsch versetzt worden und erließ Walter Ulbricht höchstselbst dem Verein die aufgelaufenen Schulden? Sollte das Stadion englischer Prägung mit einer besonderen Nähe der Zuschauer zum Spielfeld wirklich für einen Neubau mit Laufbahn (!) aufgegeben werden? Wann wurde das Gelände in Leutzsch um die Nebenplätze erweitert? Ist es korrekt, dass der Leutzscher Sportpark auf Böhlitz-Ehrenberger Flur liegt und stimmt es gar, dass Chemie einst Torwart Suchantke nach Sömmerda ziehen ließ, um im Gegenzug eine elektronische Anzeigentafel zu erhalten?

Vereinshaus des Turn- und Sportvereins Jahn Leipzig-Leutzsch, 1926

Die reiche Leipziger Archiv- und Museumslandschaft versprach Antworten auf diese Fragen, doch war der beteiligten Arbeitsgruppe auch klar, dass Zeitzeugen zu befragen waren, die breite Literatur zu Chemie von Jens Fuge zu sichten und das Chemie-Archiv mit seinen Programmheften zu „durchwühlen“ war. Eine besondere Grundlage bildete der 1999 von Ingeborg Zeidler vom Sportmuseum erarbeitete Überblick zur Geschichte des Sportparks bis 1945. Schritt für Schritt konnten auch die Bauabschnitte danach unter die Lupe genommen und mit vielfältigen Details bereichert werden. Wer hätte gedacht, dass seit 1944 aus sämtlichen Jahrzehnten Luftaufnahmen des Sportparks vorliegen? Ein Foto aus dem Stadtgeschichtlichen Museum von 1954 zeigt die Wallaufschüttungen für das geplante Stadion, das noch lange in den Leipziger Stadtplänen verzeichnet war. Zu den beteiligten Architekten kamen viele Details ans Licht: der für die Umsetzung der Tribüne verantwortliche Erich Lippmann hatte nicht nur eine Leipziger Siedlung geplant, sondern später auch an den Bauten in der Berliner Stalinallee mitgewirkt. Beinahe 50 Jahre verfügte der Sportpark über eine Stadionuhr, die stets beim Einlaufen der Spieler zu sehen war, da sie am Spielerdurchgang stand. Die reichen Bestände des Stadtgeschichtlichen Museums und des Stadtarchivs Leipzig ermöglichten so tiefe Einblicke. Zeitzeugen konnten manche Hinweise geben und es bleibt die Ahnung, dass längst noch nicht alle Fragen zur Geschichte des Leutzscher Sportparks geklärt werden konnten.

Wallaufschüttungen für das geplante Stadion, Georg-Schwarz-Sportpark (heute AKS), 1954

Deutlich zeigt sich, dass sportlich erfolgreiche Zeiten wie die 1930er, 1950er und 1960er Jahre auch stets zu Um- und Ausbauten im Sportpark führten. Dies war schon deshalb notwendig, weil die Zuschauermassen nach Leutzsch drängten und bereits 1930 Spiele von über 20.000 Menschen besucht wurden. Dass sich damit soziales und politisches Konfliktpotenzial auf den Leutzscher Rängen drängte, war den Zeitgenossen schnell klar. Auch diesem Aspekt hatte sich das Projekt zu stellen. Dabei hilft die Kooperation mit dem Stadtgeschichtlichen Museum ungemein – und so wird gerade ein Stück Sportgeschichte freigelegt, zusammengefasst und dokumentiert, das die Geschichte der Stadt Leipzig auf vielfältige Art und Weise mitgeschrieben hat.

BSG-Projektleiter Alexander Mennicke und Museumsdirektor Dr. Anselm Hartinger in der Abteilung „Sportstadt Leipzig“ der Ständigen Ausstellung im Alten Rathaus

Weitere Informationen zur Kooperation zwischen der BSG Chemie Leipzig und dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig gibt es unter:
https://www.chemie-leipzig.de/2020/07/15/chemie-leipzig-und-stadtgeschichtliches-museum-schliessen-langfristigen-kooperationsvertrag/
und
https://www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de/museum/presse/mitteilung/sportgeschichte-schreibt-stadtgeschichte/