Die Uniform und das Museum

Einblicke in die Arbeit der Zentralen Dokumentation | Ein Beitrag von einer Studentin der Helmut-Schmidt-Universität (HSU)

Viele verschiedene Uniformen aus unterschiedlichen Epochen und Nationen finden sich im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig wieder. Zum einen sind mehrere Schränke in den hauseigenen Depots mit ihnen gefüllt, zum anderen besitzt das Museum zahlreiche Grafiken, auf denen sie abgebildet sind. Auch in aktuellen Ausstellungen können sie betrachtet werden, zum Beispiel im FORUM 1813 am Völkerschlachtdenkmal. Doch die modernste Uniform im Museum trage wohl ich.

Auf den ersten Blick erscheint es vermutlich etwas ungewöhnlich, dass eine Soldatin im Museum arbeitet. Schließlich passt dies nicht in das militärische Tätigkeitsfeld. Jedoch gibt es eine Verbindung zwischen uns: die Geschichte. Das Museum sammelt, bewahrt, erforscht sie, stellt sie aus und vermittelt sie. Und auch ich setze mich wissenschaftlich mit ihr auseinander: Im Rahmen meiner Ausbildung zum Offizier der Bundeswehr studiere ich an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg Geschichtswissenschaft. Um dem theoretischen Alltag zu entfliehen und einen Einblick in die Praxis zu erhalten, absolviere ich in der vorlesungsfreien Zeit im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ein mehrwöchiges Praktikum.  

Eingesetzt bin ich in der Zentralen Dokumentation, in deren verschiedene Arbeitsprozesse ich vollumfänglich eingebunden bin. Passend zu meinem militärischen Background besteht meine Hauptaufgabe darin, Uniformmappen zu bearbeiten. Die Uniformmappen enthalten verschiedene Grafiken, die jeweils einer bestimmten Nation – vorrangig aus der Zeit der Befreiungskriege – zugeordnet sind, wie zum Beispiel den Preußen. Zunächst wird die jeweilige Grafik im Inventarbuch vermerkt, woraufhin sie ihre individuelle Inventarnummer erhält. Anschließend werden Metadaten erstellt, die in eine elektronische Datenbank eingepflegt werden. Dies umfasst unter anderem die Art der Grafik, die Beschreibung des Gegenstandes und gegebenenfalls des Textes, die Angabe zu Schlagwörtern sowie den abgebildeten Personen beziehungsweise Gegenständen, das Material, die Maße, den Erhaltungszustand und den aktuellen Standort im Depot. Danach wird die jeweilige Grafik hochauflösend gescannt, ehe sie zusammen mit ihren Daten in der Online-Sammlungsdatenbank des Museums veröffentlicht wird.

Die erste Grafik, die ich bearbeitet habe, ist eine aquarellierte Federzeichnung über die Freiwilligen Jäger des Elb-National-Husaren-Regiments 1813–1815. Diese zeigt zum einen eine Teilansicht eines Pferdes mit einer Schabracke, die Rückseite einer Uniformjacke sowie die Abbildung eines Soldaten des Regiments. Was diese Grafik jedoch von den anderen Grafiken unterscheidet: Der Künstler beschrieb in einem verhältnismäßig umfangreichen Text sowohl das Regiment als auch dessen Uniform. Um diese Handschrift allerdings zu lesen, sind nicht nur gute Kenntnisse in der Paläographie notwendig, sondern auch etwas Kreativität. Gemeinsam identifizierten mein Kollege und ich die geschriebenen Worte. Obwohl zwischendurch zum Beispiel die Säbeltasche zur „Säbeltasse“ wurde, konnten wir am Ende den groben Weg des Regiments sowie die Unterschiede der Uniform zu anderen preußischen Husaren-Regimentern nachvollziehen. Der Einstieg in die Uniformmappen gelang also erfolgreich und die folgenden Grafiken pflegten sich fast von selbst ein.

Außerdem verbringe ich viel Zeit im Depot der zweiten Etage. Hier befindet sich die sehr moderne, große Fotostation der Dokumentation. Objekte wie Skulpturen, Alltagsgegenstände oder Kleidungsstücke werden mit ihr fotografiert. Aufgrund der hohen Auflösung der Bilder kann jedes kleine Detail des Objekts digital festgehalten werden. Dabei müssen die Einstellungen, zum Beispiel die Lichtverhältnisse und die Position der Kamera am Stativ, an das jeweilige Objekt individuell angepasst werden. Schließlich sollten geworfene Schatten und Lichtreflektionen möglichst nicht vorhanden sein. Das erfordert unter Umständen auch kreative Improvisationen und eine eingespielte Teamarbeit, um das bestmögliche Foto zu erhalten. In guter Erinnerung ist mir hierbei der Oberkiefer eines Pferdes geblieben, das vor mehreren Jahrhunderten lebte. Für eine geplante Ausstellung benötigte das Museum ein Foto von diesem. Aufgrund des altersbedingten Zustandes waren bereits ein paar Zähne locker und lagen mit im Karton. Ein Kurator transportiere den Schädel zum Drehteller der Fotostation, eine Kollegin trug die Zähne hinterher und ich setzte sie mit einer ruhigen Hand wieder ein, während ein weiterer Kollege die Kamera-Software am Computer startklar machte. Im Anschluss stellten wir alle sechs Lichtquellen ein. Danach hielten meine Kollegin und ich eine schwarze Pappe, um einen neutralen gleichfarbigen Hinter- und Untergrund zu schaffen. Der Kurator suchte die beste Position für den Schädel, mein Kollege korrigierte die aufgestellte Pappe nach und drückte letztlich per Mausklick auf den Auslöser der Kamera. Es entstand ein faszinierender Schnappschuss, der an eine Kreatur aus einer längst vergangenen Zeit erinnert.

Nicht nur die Dokumentation im Haus Böttchergäßchen darf ich während des Praktikums kennenlernen. Bei Gelegenheit kann ich die anderen Häuser des Museums besuchen, wie zum Beispiel das Alte Rathaus. Hier wird Ende September 2020 eine Interventionsausstellung eröffnet, weshalb eine Kuratorin, mein Kollege und ich zusammen in der Ausstellung waren, um geeignete Plätze für die geplanten Exponate zu finden. Auch an öffentlichen Führungen, wie zum Beispiel im Völkerschlachtdenkmal, nehme ich teil. So kann ich mir die aktuellen Ausstellungen ansehen und mir mehr Wissen über die Geschichte der Stadt aneignen.

Insgesamt ist das Praktikum sehr abwechslungsreich. Kein Tag gleicht dem anderen, es kommen immer andere Aufträge hinzu. Ich bekomme zahlreiche Objekte zu sehen, die eventuell einmal Teile einer Ausstellung oder für lange Zeit im Depot verwahrt werden, was das Ganze noch spannender macht. Aber auch der lockere, entspannte, kollegiale Umgang gestaltet die Arbeit hier sehr angenehm. Ich freue mich, Teil des Museumsteams geworden zu sein und bedanke mich bereits an dieser Stelle herzlichst für dieses vielfältige, ausgezeichnete Praktikum.