Zwei Porträtgemälde von Ludwig Geyer und ihre Provenienz

Der Name Ludwig Geyer wird heute meist in einem Atemzug mit Richard Wagner genannt, als dessen Stiefvater er in die Musikgeschichte eingegangen ist. Dagegen ist Geyers Ruf als Künstler eher verblasst, wenige seiner Werke sind heute in Museen zu finden. Das Stadtgeschichtliche Museum erwarb nun zwei seiner Porträts, die das Ehepaar Christian Wilhelm (1778–1858) und Johanna Christiane Wilhelmine Reichenbach (1782–1835) zeigen, gemalt und signiert 1816.

Porträt Christian Wilhelm Reichenbach (1778–1858) Inventar-Nr. K/2020/338

Dem Ankauf der beiden Porträts ging die Klärung der Provenienz voraus, sie befanden sich schon seit 1963 als Leihgaben mit ungeklärtem Status im Museum, fristeten jedoch aufgrund des schlechten Erhaltungszustands ein Schattendasein im Depot. Wegen der unklaren Besitzverhältnisse kam eine Restaurierung bislang nicht in Frage.

Die Gemälde kamen als Leihgaben von Georg Reichenbach aus Dresden an das Museum. Die Leihgabe wurde dokumentiert, jedoch leider nichts über die Beweggründe des Leihgebers oder die Historie der Bilder. Georg Reichenbach siedelte 1977 in die BRD über, er stellte einen Antrag, die Gemälde mitzunehmen. Die Ausfuhr wurde verweigert, als Grund wurde ihre Bedeutung als Werke von Ludwig Geyer verzeichnet. Später vermachte Georg Reichenbach sie testamentarisch seinem Neffen.

Nach seinem Tod 1992 erbte dieser Neffe die Gemälde, zeigte seinen Besitzanspruch auch dem Museum an, beließ sie aber in Leipzig „zu treuen Händen“. Das Museum nahm später erneut Kontakt mit dem Erben auf, es wurde aber keine Lösung herbeigeführt, dann ruhte die Angelegenheit wieder.

Im Zuge einer Initiative des Museums, ungeklärte alte Leihverträge zu bereinigen, gelang es nun, die verstreut lebenden Nachfahren des Georg Reichenbach und des inzwischen ebenfalls verstorbenen Neffen ausfindig zu machen und ihnen die Gemälde zurückzugeben. Über den Umweg des Leipziger Kunsthandels konnte das Museum sie dann schließlich regulär erwerben.

Die Geschichte hinter dem Maler Ludwig Geyer

Der Maler der beiden Porträts wie auch die Dargestellten sind kulturhistorisch von großem Interesse: Ludwig Geyer wurde 1779 in Eisleben geboren und kam zum Jurastudium nach Leipzig. Er fühlte sich jedoch mehr zur Kunst hingezogen und nahm Malunterricht bei Adam Friedrich Oeser. Als 1799 sein Vater tödlich verunglückte, musste Geyer das Studium aufgeben. Er verdiente den Lebensunterhalt für sich und die Familie mit Porträtaufträgen.

1801 lernte er in Leipzig den Polizeiaktuar Friedrich Wagner kennen. Der stammte aus einer Familie von Künstlern und Wissenschaftlern, war selbst studierter Jurist und verkehrte mit Goethe, Schiller und E.T.A. Hoffmann. Friedrich Wagner entdeckte und förderte Geyers schauspielerisches Talent. Nach Engagements in verschiedenen deutschen Städten, wurde er 1807 durch die Vermittlung Friedrich Wagners Mitglied der Theatertruppe von Franz Seconda. 1814 zum königlich-sächsischen Hofschauspieler ernannt, lebte er seitdem in Dresden und war auch als Bühnendichter und Opernsänger tätig.

Im selben Jahr heiratete er die Witwe Friedrich Wagners, der nach der Völkerschlacht in Leipzig an Typhus gestorben war. Damit wurde er Stiefvater von sieben Kindern, darunter der erst 15 Monate alte Richard. Geyer förderte die musischen Talente der Kinder nach Kräften, zwei ältere Schwestern von Richard erhielten durch seine Vermittlung in Dresden Engagements als Schauspielerinnen.  

Bis heute wird anhaltend darüber spekuliert, ob Ludwig Geyer nicht der leibliche Vater Richard Wagners war. Von Wagner selbst gibt es dazu widersprüchliche Äußerungen in seinen Lebenserinnerungen und Briefen. Bis zu seinem 15. Lebensjahr trug Wagner den Nachnamen Geyer. Ludwig Geyer starb 1821.

Familie Reichenbach und ihre Rolle für Leipzigs kulturelles Leben

Auch die beiden Dargestellten spielten eine interessante Rolle im kulturellen Leben Leipzigs. Christian Wilhelm Reichenbach stammte aus einer Altenburger Bankiersfamilie und wurde 1800 Teilhaber der Leipziger Bank Reichenbach & Comp. am Neumarkt. Er heiratete 1803 seine Cousine Johanna Christiane Wilhelmine, auch sie stammte aus Altenburg.

Johanna Christiane Wilhelmine Reichenbach (1782–1835) Inventar-Nr. K/2020/339

In der Literaturgeschichte ist sie bekannter als Minna Reichenbach, sie war vor ihrer Ehe die Adressatin zahlreicher Liebesbriefe des Dichters Clemens Brentano. Brentano hatte Minna und ihre Familie durch die Vermittlung seiner späteren Ehefrau Sophie Mereau, die ebenfalls aus Altenburg stammte, kennengelernt. Minna Reichenbach und ihre drei Schwestern galten als ausnehmende Schönheiten und verkehrten in Altenburgs kulturinteressierten großbürgerlichen Kreisen, über die u.a. Friedrich Arnold Brockhaus berichtete. Sie spielten mit Hingabe Laientheater. Diese Leidenschaft setzte Minna auch in Leipzig fort, hier gehörten der spätere Theaterintendant Karl Theodor von Küstner sowie die Töchter des Malers und Akademiedirektors Friedrich August Tischbein zu ihrem Bekanntenkreis.

In Leipzig machte sich Christian Reichenbach weniger durch seine Tätigkeit als Bankier denn als Gartenbesitzer einen Namen. 1814 kaufte er den traditionsreichen Richterschen Garten, der durch die Völkerschlacht verwüstet worden war (hier ertrank Fürst Poniatowsky beim Übergang über die Weiße Elster auf der Flucht). Neben dem kostspieligen Wiederaufbau des Gartens nahm Reichenbach einige bauliche Maßnahmen vor, die sich dem bereits angelegten Gartenstil anpassten. Am Übergang vom Diebesgraben zum großen quadratisch angelegten Bassin ließ er ein Wasser-Haus in antiken Formen errichten, an der Elster ein Badehaus. Er verkleinerte jedoch auch das Areal, das Vorwerk, dazugehörige Wiesen und Mietshäuser sollten abgetrennt und an die jeweiligen Mieter verkauft werden. Dazu zählten die Kleine Funkenburg, eine Kegelbahn sowie Stallgebäude.

1826/27 machte Reichenbachs Bank Konkurs und er musste den Garten verkaufen. Ein Freund Reichenbachs, Wilhelm Gerhard, kaufte ihn und zog mit seiner Familie in das Herrenhaus (seither bekannt als Gerhards Garten).

Die Gemälde zeigen ganz unverkennbar den starken Einfluss von Johann Friedrich August Tischbein, der 1800 als Nachfolger Adam Friedrich Oesers die Leitung der Kunstakademie in Leipzig übernahm und zum gefragtesten Porträtisten des Leipziger Bürgertums avancierte.  Nun steht allerdings die aufwändige Restaurierung aus, bevor die Gemälde auch in Ausstellungen gezeigt werden können.     


Tag der Proveninezforschung am 14.4.2021

mit zahlreichen Veranstaltungen national sowie international sowie einem interaktiven Angebot vom Stadtgeschichtlichen Museum:

„Biografien unserer Kunstwerke. Von wann, woher und wem? – Telefongesprächsstunde“ am 14.4. von 16 Uhr bis 17.30 Uhr


Weitere Informationen zum Thema Provenienzforschung:

Woher kommen unsere Museumsobjekte? – Erwerbungen zur NS-Zeit

Systematische Provenienzforschung