„War is horrible! Der letzte Tote des Zweiten Weltkriegs“

Beitrag von Andreas Richter, Praktikant am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig

Wer das unscheinbare Eckhaus in der Jahnallee 61 in Leipzig sieht, glaubt kaum, welche symbolische Bedeutung ihm innewohnt. Das Haus macht heute einen respektablen Eindruck, wenn man es mit dem Zustand in der DDR-Zeit vergleicht, auch wenn es aktuell ein wenig leblos wirkt. Wer es so sieht, glaubt kaum, dass am 18. April 1945 hier Bilder entstanden, die um die ganze Welt gingen. Die US Army errichtete auf dem Haus eine MG-Stellung für die Erstürmung der Zeppelin-Brücke bzw. um gegen die Reste der Wehrmacht, die sich in der Innenstadt verschanzt hatten, vorzurücken. Robert Capa, ein Spanienveteran und weltbekannter Fotograf, machte kurz vor und nach dem Tod eines der beiden im Haus eingesetzten Soldaten Aufnahmen. Das Haus erhielt daher auch den Namen des Fotografen, Capa-Haus.

Gedenkveranstaltung an der Bowmanstraße zum 77. Jahrestag der historischen Ereignisse

Anlässlich des 77. Jahrestages dieser Ereignisse fand am Dienstag, den 19. April, eine Kranzniederlegung vor dem Capa-Haus statt. Um 12 Uhr begann die traditionelle Gedenkveranstaltung mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadt und des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, Landtagsabgeordneten, des US-Generalkonsulats, der Bundeswehr und der Bürgerinitiative Capa-Haus. Die Rednerinnen und Redner betonten während der Veranstaltung, dass das Haus für den hohen Blutzoll der Alliierten für die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus steht. Der Gedenkraum mit der Ausstellung „War is over!“ war für Besucherinnen und Besucher von 10 bis 14 Uhr geöffnet.

Kranzniederlegung am 19.4.2022 vor dem Capa-Haus

In dem Haus entstanden die letzten Aufnahmen von Robert Capa aus dem Zweiten Weltkrieg. Später gab Capa den Bildern deswegen den Titel „Last man to die“ (Der letzte Tote des Zweiten Weltkrieges). Capa war durch seine Aufnahmen aus dem Spanischen Bürgerkrieg bekannt geworden und versuchte stets, ganz vorne dabei zu sein. „Wenn deine Bilder nichts taugen, warst du nicht nah genug dran“, soll einer seiner Leitsätze gewesen sein. Robert Capa ist das Foto in besonderer Erinnerung geblieben, weil der Tod von Raymond Bowmann für ihn so sinnlos in den letzten Momenten des Krieges war, da die eigentlichen Kampfhandlungen auf der Brücke schon abgeschlossen waren, wie er später in einem Interview erzählte.

Das Haus selbst geriert aber in Vergessenheit. In den 1950er befand sich im Erdgeschoss das „Café des Westens“ und spätestens ab den 1960er die Tanzbar „Melodie“. Das Haus stand ab den 1990er leer. Nach einem Feuer in der Silvesternacht 2011/2012 brannte es zum Teil ab und der Abriss konnte nur durch eine Bürgerinitiative aufgehalten werden. Es begann eine denkmalgerechte Sanierung, die 2016 abgeschlossen wurde. Im Jahre 2015 eröffnete auch wieder ein Café in Erdgeschoss. Der zur Angliederung an das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig vorgesehene dortige Ausstellungs- und Gedenkraum, kann nach der corona-bedingten Schließung des Café Eigler 2021, momentan leider nicht regulär besucht werden. Das Haus soll als Kulturangebot und geschichtsdidaktischer Begegnungsort Kindern und Jugendlichen die Realität des Krieges vor Augen führen.

Ulf-Dietrich Braumann und Thomas Pantke der Bürgerinitiative beim Rundgang mit Dr. Anselm Hartinger

Wir haben am 19. April somit würdevoll all den Soldaten gedacht, die bei der Erstürmung Leipzig ums Leben gekommen sind, unter ihnen der amerikanische Soldat Raymond J. Bowman, der an diesem Ort erschossen wurde. Bowman wurde am 2. April 1924 in Rochester, US-Bundesstaat New York, geboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater starb als er 6 Jahre alt war. Er arbeitete während seiner Schulzeit für sein Taschengeld im Kino und liebte es, mit dem Familienhund Tippy, einem Cocker Spaniel, im Garten zu spielen. Mit 19 Jahren, gerade nach der Beendigung seiner Schulzeit, wurde er einberufen. Er gehörte mit seinem Regiment zur 2. US-Infanterie-Division („Indianheads“), die im Juni 1944 bei der Landung in der Normandie beteiligt waren. Sie befreiten weite Teile Frankreichs und Belgiens. Es ist wichtig, den Toten einen Namen zu geben und ihnen würdevoll zu gedenken. Um es mit den Worten des Kameraden von Bowmann, Lehman Riggs, zu sagen: „War is horrible“.


Ausgehend vom geplanten Abriss des Gebäudes Jahnallee 61 im Jahr 2011 , in dem am 18. April 1945 Robert Capas Bild „Last Man to Die – Der letzte Tote des Krieges“ entstand, war der Grundstein für die Bürgerinitiative Capa-Haus gelegt. Neben dem Erhalt des Hauses stand anfangs auch die Frage nach der Identität des Toten, des genauen Ortes und der Umstände der Entstehung des Bildes im Fokus der Aufmerksamkeit.

Auf dem Blog der Initiative erfahren Sie mehr über die Bürgerinitiative, die Ausstellung im Capa-Haus und News & Termine.