Wie haben Sie die 90er Jahre in Leipzig erlebt?

Nicht über, sondern mit Leipzig sprechen.

Diese Frage haben wir in den vergangenen Monaten in Vorbereitung unserer kommenden Sonderausstellung »Die 90er in Leipzig. Zwischen Aufbruch und Abwicklung« (25.9.2024 –7.9.2025) mit drei Vermittlungsangeboten und Projekten oft gestellt – und unterschiedlichste Reaktionen erhalten. Während einige am liebsten gar nicht über diese Zeit sprechen möchten, sprudeln die Erinnerungen bei anderen nur so hervor.

Straßenszene im Seeburgviertel, 1994, Foto: Christoph Sandig

»Unsere 90er« Interview-Projektgruppe

In der Gruppe erlernen die gut 15 aktiv Teilnehmenden seit Oktober 2023 in mehreren Workshops die Grundlagen der Forschungsmethode Oral History, um später selbstständig Interviews mit Menschen durchzuführen, die sie für das Thema »Die 90er in Leipzig« als besonders interessant und relevant ausmachen. So erfolgte die Auswahl nach eigenem Ermessen und nur teilweise durch uns moderiert. Die Interview-Fragen entwickelte die Gruppe selbst. Sie zielen einerseits auf die grundsätzlichen Erfahrungen im Leipzig der 1990er Jahre ab, andererseits spiegeln sie auch das persönliche Interesse der Teilnehmenden wider. Neben den geführten Interviews, werden selbstständig Porträtfotografien der Interviewten angefertigt, auch die Auswahl der Interviewausschnitte wird von der Gruppe getroffen. So entstehen Soundcollagen und Zusammenschnitte von sehr unterschiedlichen Stimmen aus der Leipziger Bevölkerung, die in Form von Hörstationen in der Ausstellung präsentiert werden.

Wanderausstellung

Um mit Menschen im Stadtraum ins Gespräch zu kommen und auch jene zu befragen, die das Museum nicht oder nicht regelmäßig besuchen, sind wir dank Unterstützung der Leipzig Stiftung seit Sommer 2023 mit einer eigens entwickelten Wanderausstellung im Stadtraum unterwegs: u.a. auf dem ibug-Festival für urbane Kunst, im Heimatverein Rückmarsdorf, im Stadtbüro Burgplatz, im Allee-Center Grünau oder im Westwerk. Kontrovers und vergleichend zusammengestellte Sammlungs-Fotos, die mit Stadt- und Alltagsansichten aus den 90ern mal belustigend, mal provozierend wirken, schaffen dabei meist einen perfekten Gesprächseinstieg. Die Stimmen, Meinungen, Erinnerungen und Impulse fließen mit in die Ausstellung ein. Kommen Sie vorbei und beteiligen Sie sich!

»Fehlt hier nicht was?«

Das Thema »90er« ist natürlich kein vollkommen neues für unser Haus. Die ständige Ausstellung im Alten Rathaus beleuchtet bereits seit 2011 diese ereignisreichen Jahre des Transformationsprozesses nach der Wende. Doch gerade jenes Kapitel ist mittlerweile in die Jahre gekommen, es fehlen wichtige Themen und Perspektiven. Für eine konstruktive und gleichzeitig kritische Sicht holten wir das junge Kollektiv krudebude e.V. an unsere Seite. Ihre mehrjährige Erfahrung im Austausch mit den Menschen in einer »Projektwohnung« in Leipzig-Schönefeld zu Umbrüchen der Nachwendezeit war ein großer Zugewinn für uns. Das Hosting der Intervention »Fehlt hier nicht was? Eingriffe in die Darstellung der jüngeren Stadtgeschichte« ermöglichte uns, bewusst Verantwortung und Deutungshoheit abzugeben und so eine wichtige Ergänzung der hauseigenen Perspektive zu gewinnen. Die Intervention, durch Veranstaltungen des Kollektivs begleitet, wird auch in 2024 im Alten Rathaus zu sehen sein und durch Veranstaltungen begleitet!

Die Ergebnisse der einzelnen Projekte haben unseren Museums-Horizont massiv erweitert und ermöglichen uns, eine Sonderausstellung zu entwickeln, die nicht allein über, sondern vor allem mit Leipzig spricht.


Die Sonderausstellung »Die 90er in Leipzig. Zwischen Aufbruch und Abwicklung« wird vom 25.9.2024 bis 7.9.2025 im HAUS BÖTTCHERGÄßCHEN zu sehen sein und durch ein vielfältiges Begleitprogramm ergänzt.

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