Zwischen Kaffeekranz und Weltmarktpolitik

Leipziger Kaffeegeschichten im Museum »Zum Arabischen Coffe Baum«

Das Museum »Zum Arabischen Coffe Baum« in der Kleine Fleischergasse 4 vor der Schließung zur Sanierung. Foto: Peter Franke.

Im Herzen der Leipziger Altstadt befindet sich das älteste Kaffee­haus Deutschlands. Seit 1711 wird hier der Sachsen liebstes Heißge­tränk, der Kaffee, ausgeschenkt. Markant begrüßt eine Portalplastik die Besucherinnen und Besucher des Kaffeehauses. Gezeigt wird ein Araber, eigentlich ein Türke, der unter einem blühenden Kaffeebaum ruht. Gestützt auf eine Kaffeekanne, überreicht er einem Putto eine Scha­le mit Kaffee. Oder ist es doch viel­leicht anders herum und der Araber bekommt die Schale? So jedenfalls beschreibt es der Jurist und Dichter Justus Friedrich Wilhelm Zachariä im Jahr 1744:

»So streckt dieß stolze Haus den Giebel in die Lüfte,
Und hüllet oft das Dach in falben Rauch und Düfte.
Der Eingang zeigt sogleich in einer Schilderey,
Daß dieß des Caffeegotts geweihter Tempel sey.
Es liegt ein Araber an dieses Gottes Baume;
Ihm bringt, in flachem Gold,
von dem durchsüßten Schaume,
Den man aus Bohnen kocht, die die Levante schickt,
Ein nackter Liebesgott, der lächelnd auf ihn blickt,
Ein volles Töpfchen dar; er nimmt es, sich zu laben;
Dieß ist aus Stein gehaun,
und durch die Kunst erhaben.«

Justus Friedrich Wilhelm Zachariä, Der Renommiste, in: Poetische Schriften, Drittes Buch, Braunschweig 1772, S. 37.

Zachariä wohnte zu diesem Zeitpunkt im Coffe Baum und studierte Rechts­wissenschaft an der Universität Leip­zig. Er spielt bei der Beschreibung der Plastik auf das hartnäckige Ge­rücht an, August der Starke hätte ein Auge (und mehr) auf die Gattin von Johann Lehmann, die erst siebzehn­jährige Johanna Elisabeth, geworfen. August sei der geheime Auftraggeber der Plastik aus Sandstein gewesen, die seit 1720 den Eingang ziert und dem Haus seinen Namen gab: »Zum Arabischen Coffe Baum«. Wir werden es nicht wirklich erfahren. Lehmann war ein erfolgreicher Kaffeewirt und hatte die kleine Wirtschaft in ein Kaf­feehaus umgebaut, dessen Eröffnung im Jahr 1719 er aber nicht mehr er­lebte. Seine Witwe betrieb den Coffe Baum 23 Jahr erfolgreich.

Bearbeitung der Portalplastik an der Gaststätte, Foto Lilbisch, 1967, Inv.-Nr.: F/1536/2004

Die Plastik illustriert ein Stück Kaffee­kulturgeschichte. Der Kaffee, der zu­erst in Äthiopien angebaut und ge­trunken wurde, verbreitete sich im 16. Jh. vom Südjemen rasch in der islamischen Kulturwelt und gelangte über osmanische Gesandte aus dem türkisch-arabischen Kulturkreis nach Europa. Er gilt als das letzte große Ge­schenk des Orients an den Okzident.

Zu den illustren Stammgästen des Coffe Baums im 18. Jh. zählten die Literaten Johann Christoph Gott­sched, Christian Fürchtegott Gellert und Friedrich Gottlieb Klopstock. Auch musikalische Talente lockte das Haus an. Der Komponist Robert Schumann traf sich hier mit seinen Musikfreunden, zu denen auch Felix Mendelssohn-Bartholdy zählte, re­gelmäßig zum Stammtisch. Das Ge­bäude diente aber nicht nur gastro­nomischen Zwecken. Wie ein von 1815 bis 1965 lückenlos geführtes Mietzinsbuch belegt, wurden die kleineren Räume unterm Dach von einfachen Leuten, wie Schuh­machern, Arbeitern und Hausmeis­ter bewohnt. In der 1. Etage mietete sich ab Mitte des 19. Jh. die Studen­tenverbindung Lusatia ein, der das Kneipenzimmer als Versammlungs­ort diente. Zu DDR-Zeiten trafen sich die Mitglieder des 1978 gegründeten Künstlercafés. Der Lauschangriff vom Ministerium für Staatssicherheit auf die Gäste, mit Hilfe von Mikro­phonen in den Deckenlampen, ist nicht belegt. Vielmehr befanden sich die Staatsdiener unter den Gästen im Raum und hörten mit zu.

Stammtisch in der Traditionsgaststätte »Kaffeebaum«, Foto Dr. W.G. Heyde, 1958, Inv.-Nr.: F/1541/2004

Seit 1998 vereint das Haus Restau­rant und Museum. Der museale Spa­ziergang durch die Geschichte der Leipziger Kaffeekultur führt durch 15 größere und kleine Museumsräume, wobei die historische Raumstruktur bewusst in die Ausstellungsgestal­tung einbezogen wurde. Im Jahr 2016 wurde ein inhaltliches und grafisches Konzept zur Erneuerung der Ausstellung im Museum entwi­ckelt. Von Januar 2017 bis zur Schließung im Jahr 2019 verbanden die einzelnen Geschichten Vergan­genes und Gegenwärtiges rund um den Kaffee als Genuss und Klischee mit den aktuellen Fragen des globa­len Kaffeehandels und Kaffeekon­sums. Themen wie Kaffee als Kolo­nialgut, brisante Mangelware in der DDR, globales Handelsgut und Fair Trade Ware waren untrennbarer Be­standteil der Erzählung. Ein Film über Leipzigerinnen und Leipziger unterschiedlicher kultureller Her­kunft und deren persönlichen Bezü­ge zum Kaffee zeigte: Kaffeegenuss ist genauso individuell wie der Mensch selbst.

Die Vorbereitungen für die Wieder­eröffnung sind in vollem Gang. Museumsgäste dürfen sich auch weiterhin auf die vielseitigen Ge­schichten rund um den Kaffee freuen. 500 Objekte sowie Ton-und Filmdokumente führen durch die verschiedenen Facetten aus 300 Jahren Leipziger Kaffeegeschichte, darunter eine Tasse, aus der Napoleon 1813 trank, aber auch Röstgeräte, Kaffeezubereitungsge­fäße, Kaffeehausordnungen, Blüm­chenkaffee und ein Proberöster. Die Ausstellung von 2017 wird aber nicht wieder so eingebaut werden können. Während der Bauarbeiten mussten einige Einbauten und Wandvitrinen der Erneuerung von Fußböden und Wänden weichen. Wegeführungen und Raumnutzungen wurden an die neuen Sicherheitsanforderungen eines sanierten Hauses angepasst. Die verbliebenen Vitrinen haben nun ein stattliches Alter von 30 Jahren erreicht und genügen nicht mehr den konservatorischen Anforderun­gen eines modernen Museums.

Inhaltlich stehen wir vor der Heraus­forderung, dass vor dem Hintergrund der wachsenden Diskurse zum The­ma Kolonialismus die Notwendigkeit der Tiefenschärfe dieser Themenbe­reiche entstanden ist. Wir waren 2017 auf einem guten Weg und werden diese Erzählstränge nun weiter ausbauen. Grundsätzlich aber gilt es, auf dem schmalen Grat der unterschiedlichen Erwartungen trittsicher zu wandeln. Ein Teil der Gäste wird vor allem nach den »schönen« alten Geschich­ten, der Sinnlichkeit des Themas Kaffee oder nach eigenen Erinne­rungen des Kaffeehausbesuches in der Ausstellung suchen. Wir erzäh­len diese Geschichten, verschweigen aber auch nicht die anderen und sprechen offen darüber. Sie dürfen gespannt bleiben.

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