Wie ist es, Teenager in den 90ern zu sein?
Vermittlungsprojekt ZEITREISE
Beitrag von Hanna Wasiewicz (Praktikantin Presse und Öffentlichkeitsarbeit)
Wie waren die 90er in Leipzig?! Bunt? Frei? Hoffnungsvoll? Chaotisch? Ernüchternd? Die aktuelle Sonderausstellung »Zwischen Aufbruch und Abwicklung. Die 90er in Leipzig« im Haus Böttchergäßchen versucht mit verschiedenen Vermittlungsangeboten Antworten auf diese Frage zu finden und ein Bild der Entwicklungen, Transformationen und Brüche des Jahrzehnts zu zeichnen.


Ein großes Anliegen war dem Ausstellungs- und Vermittlungsteam dabei, die Perspektiven, Erfahrungen und Fragen der Leipzigerinnen und Leipziger mitzudenken und einen Austausch zu ermöglichen. So komplex die 90er auch waren, würden uns vermutlich alle Besuchenden andere Fragen stellen und mit wieder anderen Erzählungen darauf antworten – insofern ist es auch kaum möglich, die Vielschichtigkeit jener Zeit und sehr individuellen Erfahrungen des Einzelnen vollständig abzubilden.
Jugendliche machen eine ZEITREISE in die 90er
Mit unserem Projekt ZEITREISE haben wir einen Versuch unternommen, Menschen verschiedener Generationen in einen gemeinsamen Dialog zu bringen. Das Fragenstellen haben wir den Jugendlichen überlassen – damit sie die Chance bekommen, Antworten auf jene Fragen zu erhalten, die sie sich möglicherweise nicht trauen, ihren Familien zu stellen und somit die Lücken zu schließen, die noch offen sind, wenn sie an die 90er denken.


Wir haben also einen Aufruf gestartet. Gesucht waren Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie geschichtsinteressierte Jugendliche, die Lust hatten, Teil von dem Oral History Projekt zu werden. Unser Ziel bestand darin, zwei Generationen von Teenagern aufeinandertreffen zu lassen: Jugendliche von heute, im Alter zwischen 13 und 19 Jahren, und Jugendliche von damals, aus den Jahrgängen 1975 bis 1980. Dabei haben wir zwei Durchläufe gestartet, einmal mit einer Klasse der Montessori Schule sowie ein Durchlauf mit individuell angemeldeten Jugendlichen. Die Ergebnisse der Interviews sollten kreativ weiterverarbeitet und schlussendlich in einer Medienstation in der Ausstellung öffentlich zugänglich gemacht werden.
Hier konnten wir über die Fragen sprechen, die wir uns nicht getraut haben, unseren Familien zu stellen.
Jugendliche über das Projekt ZEITREISE
Themen der Jugend – damals wie heute
Die meisten Jugendlichen, die sich angemeldet hatten, sind schon mit einer gewissen Vorstellung von den 90ern gekommen – basierend auf Erzählungen von Familienmitgliedern oder aktuellen popkulturellen Referenzen – vor allem aber von der Neugier getrieben, mehr über die Jugend in den 90er Jahren zu erfahren. Insofern gab es eine ganze Reihe an Ideen und Fragen: Wie haben eigentlich Jugendliche die 90er in Leipzig erlebt? Wie sah deren Alltag damals aus und welche Themen haben sie bewegt? Was war anders als heute und was war vielleicht auch gleich?
Zu Beginn wurden die Ideen der Jugendlichen und mögliche Anknüpfungspunkte, die aus der Ausstellung abgeleitet wurden, gesammelt – mit dem Ergebnis eines Themenspektrums, das sich über Freundschaft, Schule, Beziehungen zu den Eltern, Unabhängigkeit und Freiräume, Mode, die erste Liebe, Identitätsfindung, Popkultur, Mode, Musik und Umwelt erstreckte. Also all jenen Themen, die junge Menschen auch heute umtreiben.
Kreative Workshops und Gespräche mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen

Darauf folgte eine Reihe Workshops, in denen Wissen und Kompetenzen vermittelt wurden, wie Ideen systematisch und kreativ umgesetzt werden können. Mit der Museologin und Historikerin Ariane Zabel und Dana Schwarz-Harderek, die von Beruf Künstlerin und Lehrerin ist, gab es eine theoretische und praktische Einführung in die Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – der »Quelle Mensch«.
Auf dieser Grundlage konnten die Jugendlichen dann individuelle Leitfäden für ihre Interviews erstellen. Im folgenden Workshop hat Maximilian Brachinger, freier Fotograf und Filmemacher, den Jugendlichen beigebracht, wie Interviews am besten filmisch festgehalten werden, welches Material dokumentarische Filme zusätzlich bereichert und wie kurze Reels erstellt werden können. Die Künstlerin Diana Wesser hat den Jugendlichen das technische Know-How zur Aufnahme eines Podcasts sowie die wichtigsten Anforderungen an die Produktion zu einem zeithistorischen Thema vermittelt. Ein weiterer Workshop wurde von Marius Wittwer angeleitet. Der Historiker und Stadtführer hat den Jugendlichen wertvolles Wissen darüber vermittelt, welche Fotos sich am besten eignen, um stadthistorische Themen nahbar aufzubereiten, wie mit Datenbanken gearbeitet wird, wie es um Bildrechte steht und wie die Fotos letztendlich gut kontextualisiert werden können.
Nach den Workshops ging es für die Jugendlichen an die praktische Arbeit: Die Interviews wurden geführt Podcasts vertont, Fotostrecken erarbeitet und Reels geschnitten.



Vernissage – Medienstation zur ZEITREISE
Die Ergebnisse haben die Jugendlichen selbstständig fertiggestellt und während der Vernissage zum Abschluss der ZEITREISE bei uns im Freiraum der Sonderausstellung präsentiert.


Wir danken allen Jugendlichen, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sowie den Expertinnen und Experten, ohne die dieses Projekt so nicht möglich gewesen wäre.
Und Sie, liebe Besucherinnen und Besucher, möchten wir herzlich dazu einladen, die Ausstellung »Zwischen Aufbruch und Abwicklung. Die 90er in Leipzig« im Haus Böttchergäßchen zu besuchen und die tollen Ergebnisse in der Medienstation selbst anzuschauen.
Hier sind die Ergebnisse zu sehen: Die 90er in Leipzig
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Die Sonderausstellung und alle Begleitveranstaltungen finden noch bis zum Sonntag, den 7.9.2025, mit freundlicher Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Leipzig statt.