Über die Herkunftsgeschichte von Kulturgütern
Systematische Provenienzforschung
Die Provenienz- (vom lateinischen »provenire« = hervorkommen, herkommen) oder auch Herkunftsforschung beschäftigt sich mit den Untersuchungen von Objektbiografien. Im konkreten bedeutet dies, dass sich das Museum die Frage stellt, wann wurde es von wem z. B. das Kunstwerk erworben und wer besaß es zuvor. Hierbei kann die Erforschung bis zur Entstehung des Artefakts zurückgehen. Während der Recherchen lässt sich viel über die Sammlungsstrategie des Museums sowie über die Biografien der Personen erfahren, die dem Museum Objekte verkauften oder schenkten, oder welche Netzwerke von Interesse waren.
Im besten Falle lassen sich für einen Sammlungsgegenstand die Besitzerwechsel lückenlos darstellen. Dies kann auch als Nachweis der Echtheit eines Kulturgutes fungieren und für die Bestimmung des Wertes auf dem Kunstmarkt essentiell sein sowie den Preis positiv beeinflussen.
Insbesondere bei unrechtmäßigen Entzugskontexten von Kulturgütern – hier wird bei der Provenienzforschung seit Jahren ein Schwerpunkt auf die NS-Zeit gelegt – gilt es, sich u. a. aus ethischen Gründen der Herausforderung zur Klärung der Herkunftsgeschichten zu stellen. Einen besonderen Stellenwert erfuhr die Erforschung von NS-Raubkunst mit der »Washington Conference on Holocaust-Era Assets« 1998, als die Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden waren, festgelegt wurden. Deutschland folgte dieser Selbstverpflichtung indem 1999 der Bund, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände eine »Gemeinsame Erklärung« zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes verabschiedeten.
In jüngerer Vergangenheit rücken zwei weitere Themenkomplexe in den Mittelpunkt der Forschungen: Kultur-und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten und Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR.
Das Museum recherchierte unmittelbar nach der Verabschiedung der »Gemeinsamen Erklärung« nach NS-Raubgut, jedoch ließen zeitliche Befristungen keine umfängliche und systematische Durchsicht zu. Vereinzelte Restitutionsforderungen, Ausstellungsprojekte (u. a. 2007 »Arisierung« in Leipzig) und die Recherchen zu den Kriegsverlusten waren in den vergangenen Jahren im Museum immer wieder Thema. In der Lost Art-Datenbank sind die Suchmeldungen des Museums recherchierbar.
Einen der acht Schwerpunkte der »Museumskonzeption 2030« der Stadt Leipzig stellt die Provenienzforschung dar, die für das Museum auch im Hinblick auf die Bestände aus der SBZ und DDR-Zeit stets ein essentielles Forschungsfeld bleiben wird. Die Provenienzforschung als gesamtgesellschaftliche Herausforderung wird einen erheblichen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten.
Aktuelles
- Ausstellung »Das fehlende Puzzleteil. Objekte, Herkunftsgeschichten, Schicksale« (23.10.2024 – 13.4.2025)
- Publikation: »Vergessene Rück(an)sichten«
Sammlungsdatenbank
Forschungsergebnisse in der Museumsdatenbank
1. Projekt: "Provenienzforschung la04-i2019" (2019-2022)
2. Projekt: "Provenienzforschung la08-i2022" (seit 2022)
Fundmeldungen
Die bereits als NS-Raubgut identifizierten Objekte wurden als Fundmeldungen in der Lost Art-Datenbank erfasst.
Kontakt
Lina Frubrich
Provenienzforschung
lina.frubrich2@leipzig.de
Tel.: 0341 9 65 13 42