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Der Fotoschatz vom Dachboden

28.06.2023

Ausstellung zum Archiv des jüdischen Fotografen Abram Mittelmann eröffnet

Vom 28. Juni bis 27. August 2023 wird im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig ein Teil des Fotoarchivs Mittelmann und seine bewegte Überlieferungsgeschichte erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Der jüdische Fotograf Abram Mittelmann wurde in der Shoah ermordet.

 

Auf dem Dachboden des Wohnhauses Peterssteinweg 15 in der Leipziger Südvorstadt wurde 1988 ein Schatz von über 2.000 Glasnegativen aus dem Atelier des Fotografen Abram Mittelmann entdeckt, das sich von 1909 bis 1938 hier befand. Eine erste Auswahl von Portraitaufnahmen fand bereits wenig später Eingang in die überregional sehr beachtete Ausstellung »Juden in Leipzig« von 1988 im Krochhochhaus in der Kustodie der Universität Leipzig. Darin setzten sich die staatlichen Veranstalter und die Universität Leipzig, dank der Unterstützung von vielen Engagierten ebenso Expertinnen und Experten, erstmals mit der jüdischen Geschichte der Stadt auseinander.

Im Jahr 2022 wurden die Glasnegative in treuhänderischer Verantwortung gegenüber den Erbinnen und Erben in Frankreich dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V. übergeben. Eine Initiative aus der Enkelin Nadia Vergne, dem Stadtgeschichtlichen Museum, dem Ariowitsch-Haus stellvertretend für die Israelitische Religionsgemeinde, und weiteren Experten bemüht sich nun gemeinsam mit dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig um die künftige Aufarbeitung.

Die Sammlung ist ein Zeitfenster in die Gesellschaft einer deutschen Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie gibt der einst florierenden Leipziger jüdischen Gemeinde, die von den Nationalsozialisten zerschlagen wurde, viele Namen und Gesichter zurück. Es waren aber nicht nur jüdische Menschen, die in dieses Atelier gingen. So finden sich auch Aufnahmen von uniformierten SA-Männern oder Menschen in bürgerlicher Kleidung mit Abzeichen der NSDAP, die ihr neues Selbstbewusstsein und ihre neue soziale Stellung dokumentiert wissen wollten. Insgesamt gibt es 2.166 Negative mit Portraitaufnahmen, die Abram Mittelmann bereits weitgehend mit dem Nachnamen verzeichnete. Neben eigenen Familienfotos findet man auch Gruppenbilder und Werbefotos von Geschäften. Vom März 1920 bezeugen Straßenfotos den Kapp-Putsch gegen die Weimarer Republik in Leipzig. Sie zeigen etwa das niedergebrannte Volkshaus oder Barrikaden in der Innenstadt. Dazu kommen noch einige Stadtansichten. Sie sind seltene Zeugnisse von heute zerstörten Bauten der Stadt, besonders Kirchen.

Die Bedeutung der Sammlung reicht über das wissenschaftliche und bildungspolitische Interesse Leipzigs hinaus. Die Aufmerksamkeit der weltweit verstreuten Nachkommen jüdischer Familien wächst stetig. Mit dieser Werkschau erhält die Öffentlichkeit erste Einblicke in die einmalige Sammlung zur Leipziger jüdischen Geschichte.  

In einem ersten Schritt konnten alle Negative im Frühjahr 2023 digitalisiert werden, finanziert durch das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig. Die inhaltliche Aufarbeitung und Erschließung stellt eine große Herausforderung und Verantwortung dar, die Zeit und sowohl museologische wie historische Expertise erfordert. Soweit möglich, sollen die Portraits personifiziert werden und biografische Recherchen stattfinden. Hierfür bedarf es weiterer fachlicher Unterstützung und finanzieller Förderung. Ziel ist es, zum Themenjahr zur jüdischen Kultur in Sachsen im Jahr 2026 eine umfangreiche Präsentation zu erarbeiten.

In der Broschüre »Ein historischer Schatz für Leipzig und die Welt« wird ein erster Überblick über die Geschichte, Bedeutung und Herausforderung der Aufarbeitung gegeben. Diese steht kostenfrei in den beteiligten Einrichtungen zur Verfügung.

Das Archiv Bürgerbewegung Leipzig, das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig und die Israelitische Religionsgemeinde Leipzig erarbeiteten die Ausstellung in Kooperation mit dem Ägyptischen Museum Georg Steindorff der Universität Leipzig. Sie wird von der Stadt Leipzig im Rahmen der Jüdischen Woche 2023 und dem Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für das Jüdische Leben gefördert.

Die vollständige Pressemappe mit weiteren Bildern und weiterem Textmaterial erhalten Sie hier: https://bit.ly/3PuhZ1R

 

Der Schatz vom Dachboden.
Das Archiv des jüdischen Fotografen Abram Mittelmann
28.6. bis 27.8.2023

 

Führungen: 29.6., 16 Uhr mit der Enkelin Nadia Vergne, 27.7., 16 Uhr sowie 24.8., 16 Uhr
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-­17 Uhr, Sa/So 10-­17 Uhr
Ort: Ägyptisches Museum – Georg Steindorff – der Universität Leipzig. Goethestraße 2
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro

 

Foto:
Dr. Jana Helmbold-Doyé (Ägyptisches Museum Leipzig), Küf Kaufmann (Ariowitsch-Haus  Leipzig / Israelitische Religionsgemeinde), Nadia Vergne (Nachkommin Familie Mittelmann), Achim Beier (Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.), Dr. Johanna Sänger (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig),.Dr. Anselm Hartinger (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig),
Initiativgruppe »Der Schatz vom Dachboden. Das Archiv des jüdischen Fotografen Abram Mittelmann«, Foto: Silvia Hauptmann
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