Einladung zum Pogrom?

Eine Schenkung für das Stadtgeschichtliche Museum erzählt über das ideologische „Begleitprogramm“ des Novemberpogroms 1938

Vor Kurzem erhielt das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig eine besondere Schenkung des Deutschen Historischen Museums Berlin. Die dort als Dubletten vorhandenen Dokumente aus Leipzig führen direkt in die Zeit des Nationalsozialismus und besonders der Pogromnacht im November 1938, die sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährt.

Mehr als 150 Einzelblätter oder Karten bewerben Lichtbildvorträge, Filmvorführungen und Festivitäten der einzelnen Ortsgruppen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Es handelt sich um seltene Quellen, denn nur wenige Dokumente dieser Partei sind hier erhalten. Der größte Teil wurde von den Nationalsozialisten selbst in den Krematorien des Südfriedhofs verbrannt, als die Alliierten im Frühjahr 1945 näher rückten. Was erst akribisch archiviert wurde, sollte der Nachwelt nicht mehr in die Hände fallen. Unter diesen Dokumenten der Jahre 1938 und 1939 finden sich auch Einladungen zur Feier des 9. November.

Der 9. November galt den Nationalsozialisten als Feiertag, an dem sie der sogenannten Blutzeugen der Bewegung gedachten. In aufwendig inszenierten Gedenkfeiern wurden die Toten des Hitler-Ludendorf-Putschs von 1923 gefeiert und als Märtyrer stilisiert.

Die einzelnen Ortsgruppen der NSDAP waren verpflichtet, jährlich eine Gedenkfeier abzuhalten. Die Einladungen zu diesen Feiern sind entsprechend gestaltet: Auf hochwertigem Papier gedruckt ähneln sie auch in ästhetischer Hinsicht einer Einladung zu einer Trauerfeier. Begleitet wurden diese Feiern durch ein musikalisches Programm. Dabei feierte man auch mehrere getötete Leipziger Nationalsozialisten, unter anderem 1938 mit einer Gedächtnisfeier auf dem Marktplatz.

Im Jahr 1938 dienten die Feierlichkeiten als inszeniertes Vorspiel für das nur wenige Stunden danach stattfindende Pogrom: Im gesamten Deutschen Reich kam es zu gut organisierten Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden und deren Institutionen. Das Novemberpogrom von der Nacht des 9. auf den 10. November markiert den Übergang von Diskriminierung hin zu offener und systematischer Verfolgung, die schließlich in den Holocaust mündete.

Auch in Leipzig wurden Synagogen zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und angezündet. Zwei jüdische Leipziger wurden in dieser Nacht ermordet: der Arzt Felix Cohn und der Geschäftsmann Rachmiel Preismann. Am darauffolgenden Tag, den 10. November, wurden mehr als 500 jüdische Männer von der Gestapo verhaftet und in die Lager Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt, wo sie teils wochenlang festgehalten wurden. In dieser Zeit sind mindestens 12 von ihnen gestorben.

Auf die Feier im Festsaal des Zoos, so ist im Programm zu lesen, folgte ein Marsch in Richtung der Gedenkstätte für den SA-Mann Walter Blümel in der gleichnamigen Walter-Blümel-Straße, der heutigen Löhrstraße. In diesem Viertel wurden nur Stunden später jüdische Kinder und Erwachsene in das ausgemauerte Flussbett der Parthe getrieben und stundenlang festgehalten.

Diese und weitere Dokumente finden Sie in unserer Datenbank. Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig verfügt über eine wachsende Sammlung an Quellen, die vom jüdischen Leben in Leipzig und der Zeit der Verfolgung Zeugnis ablegen. Zum Themenkomplex Novemberpogrom finden sich auch mehrere Fotografien, die das Ausmaß der Zerstörung in Leipzig zeigen.

 

Annika Niemann
Studierende der Museologie