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„Huste oder niese nicht andern Leuten ins Gesicht!“

Das, was in diesen Tagen oft als Husten- oder Niesetikette bezeichnet wird, ist keine Erfindung der Corona-Krise. Schon als 1882 Robert Koch den Tuberkuloseerreger nachgewiesen hatte, wurde nicht nur auf die baldige Entdeckung eines Heilmittels, sondern auch auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln gesetzt. Man war sich der potenziellen Gefährlichkeit menschlicher Partikel durchaus bewusst.

Auch dieses Agitationsplakat von etwa 1940 thematisiert den unschönen Fakt, dass beim Husten und Niesen Krankheitserreger versprüht und durch Tröpfcheninfektion übertragen werden können. Der offenbar nachlässige Protagonist mit Hut wird von dem Jungen neben ihm mit der Frage „Soll ich Ihnen mein Taschentuch borgen“ verspottet, während sich ein anderer Mann hinter seinem Regenschirm duckt: „Wie gut, daß ich den Schirm mithabe“. Aus aktueller Sicht stehen die Menschen natürlich immer noch viel zu dicht beieinander.

Dass selbst bei berechtigten Hygiene-Kampagnen immer auch die Gefahr der Stigmatisierung Betroffener bedacht werden muss, darf mit Blick auf den Entstehungskontext des Bildes allerdings nicht verschwiegen werden. So wird als Grafiker zwar Peter Landhoff genannt, von dem auch weitere Gesundheits-Plakate mit Devisen wie „Gut gekaut ist halb verdaut“ oder „Schlafe möglichst bei offenem Fenster“ stammen. Herausgeber des Plakats war jedoch der „Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst“, der 1933 aus einem Vorläufer "für hygienische Volksbildung“ hervorgegangen war und als propagandistisches Instrument am Reichsinnenministerium genutzt wurde. So sollte „allen Volksgenossen“ mit Plakaten nebenher auch die rassistische Theorie der Nationalsozialisten nahegebracht werden. In einer Demokratie hingegen gehören physisches Abstandhalten und solidarisches Mitempfinden untrennbar zusammen.

Inv.-Nr: PLA 67
Agitationsplakat, Wirtschafts-Werbeverlag Curt Cowall, Berlin, um 1940


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