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Neustart aus der Messekrise

Epidemien und Wirtschaftseinbrüche verursachen Leid und Not. Ein Beispiel aus der jüngeren Stadtgeschichte zeigt aber auch, dass aus solchen Krisen Chancen werden können, wenn danach nicht einfach an frühere Erfolge angeknüpft, sondern entschlossen Neuland betreten wird.

Die Messen gehören seit Jahrhunderten zur Leipziger Identität. Sie bedeuteten Zusammenkunft Tausender Menschen, Austausch von Neuheiten und Fortschritt. Gefährdet wurden sie immer wieder durch Kriege und Seuchen wie etwa die Cholera, die im 19. Jahrhundert als in Wellen grassierende neuartige Epidemie auftrat. Dass der Brechdurchfall über verunreinigtes Trinkwasser und Nahrung verbreitet wird, konnte erst 1884 von Robert Koch als Namenspatron des heute so einflussreichen Institutes bewiesen werden. Für die rasch auf mehr als 400.000 Einwohner gewachsene Stadt Leipzig und die dreimal im Jahr zu den Messen strömenden Händler bestand seit der Eisenbahnzeit eine immer höhere Gesundheitsgefahr.

Gleichzeitig hatten Verkehrsrevolution und Industrialisierung die traditionelle Warenmesse in eine Krise gebracht: Immer weniger Hersteller mochten ihren gesamten Warenbestand mitbringen, um ihn sofort auf Märkten und Höfen weiterzuverkaufen. Viele hatten bereits sogenannte Musterlager in der Stadt oder boten ihre Produkte über Vertreter direkt den Kunden an. Außerdem erschienen vielen Händlern die starren Neujahrs-, Frühjahrs- und Herbsttermine nicht mehr zeitgemäß. Buch- und Rauchwarenmesse fanden bereits unabhängig davon statt.

Im Sommer 1892 erreichte die in Russland grassierende Cholera Hamburg und forderte hier mehr als 8.600 Todesopfer. Für die bevorstehende Leipziger Herbstmesse ein Debakel, da man ein Einschleppen der Epidemie befürchtete. Der Stadtrat musste eine Entscheidung zwischen Gesundheitsvorsorge und Wirtschaftsinteresse treffen. Es fiel nicht leicht, erstmals seit Jahrzehnten eine Messe abzusagen – ein immenser Schaden für Hersteller, Handel, Gastronomie und die Stadt selbst. Doch blieb Leipzig so von der Cholera verschont.

Die Konkurrenz allerdings stand schon in den Startlöchern: Berlin veranstaltete 1893 eine eigene Messe für wichtige Branchen, deren Vertreter sonst nach Leipzig kamen. Eine Verstetigung war geplant. Sollte Leipzig seine Messe der Magnetwirkung der Reichshauptstadt überlassen? Unter diesem Eindruck gründeten Stadt und Handelskammer noch im Krisenjahr einen Ausschuss, der neue Möglichkeiten auslotete. Im Ergebnis setzte der Rat 1894 konsequent auf moderne Bedürfnisse: Ein neues "Städtisches Kaufhaus" wurde errichtet. Die Messetermine wurden angepasst. Das Wichtigste: Ab 1895 fand zu den Ostermessen eine Vormesse statt, eigens für "Musterkollektionen und Musterläger in größerem Umfange". Der Erfolg mit steigenden Ausstellerzahlen und Gewinnen folgte bald. Wenige Jahre später war der Wandel der Messestadt zu einem modernen Ausstellungszentrum mit weltweiter Vorbildwirkung in vollen Gange. Leipzig hatte aus der Krise eine Innovation gemacht und die Messe revolutioniert. Unser Plakat drückt diesen die Kontinente verbindenden Anspruch mit gebührendem Stolz aus.

Inv.-Nr.: P 0006916
Werbeplakat der Leipziger Mustermesse mit stilisiertem neuem Logo, 1925 (Grafik: Hans Neumann)


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