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Kiew-Leipzig im Bild. Anfänge einer Städtepartnerschaft

Dr. Johanna Sänger und Dr. Anselm Hartinger:

 

Die heute mit so existentieller Bedeutung aufgeladene Verbindung Leipzigs zu Kiew hat eine bereits lange Geschichte, die bis zur mittelalterlichen Via regia zurückreicht und mit der traditionell starken Vertretung osteuropäischer und gerade auch jüdischer Händler auf den Leipziger Messen verbunden ist.


1961 schlossen die Städte Leipzig und Kiew einen Vertrag als Partnerstädte, damals noch ein seltenes Ereignis in Ostdeutschland. Von den Regierungen der DDR und Sowjetunion beschlossen, setzten die damalige Bezirksstadt und zweitgrößte Stadt der DDR und Kiew als Hauptstadt der damaligen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik damit ein politisches Zeichen der Völkerverständigung „von unten“. Das war 20 Jahre nach dem mörderischen Überfall Nazi-Deutschlands auf Staaten der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, den die Erwachsenen damals in schmerzhafter Erinnerung hatten, ein wichtiges Signal. Städtepartnerschaften waren vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg von westdeutschen Städten mit Kommunen in England, Frankreich und anderen ehemals verfeindeten Ländern geschlossen worden. Auch Leipzig hat seitdem viele weitere Partnerstädte in Ost- und Westeuropa und in aller Welt.


Dass aus dieser symbolischen Geste ein intensiver Austausch werden würde, der zuletzt 2021 gefeiert wurde, zeigte sich erst nach und nach, dafür aber sehr vielfältig.
Delegationen aus Betrieben, Instituten, aus der Stadtverwaltung oder Schulen besuchten einander. Dafür wurden „Züge der Freundschaft“ eingesetzt. Ingenieur*innen und Arbeiter*innen ließen sich Produktionsabläufe zeigen. Wissenschaftler tauschten sich aus. Kunstschaffende gastierten mit ihren Programmen, meist musikalischen. Kinder verbrachten aufregende Ferientage im fernen anderen Land. Es war meist auch eine Art Urlaub vom Alltag für Leipziger*innen und Kiewer*innen, die ja bekanntlich sonst nur beschränkte Reisemöglichkeiten hatten.


Auch wenn dabei oft lästige Zugeständnisse an die kommunistische Ideologie und ihre Rituale gefordert wurden: Menschen begegneten einander im Frieden und versuchten sich zu verstehen und zu helfen. Freundschaften entstanden. Verständnis für Land, Gesellschaft und Geschichte entwickelten sich. Viele solcher Beziehungen konnten nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 und der 1991 erreichten Unabhängigkeit der Ukraine wiederbelebt werden. Nicht zuletzt durch den Zusammenbruch der Sowjetunion leben heute bereits zahlreiche Menschen aus der Ukraine in Leipzig. 2021 feierten beide Städte mit einem Rückblick ihre gewachsene Partnerschaft. Die auf Europa hin orientierte Revolution auf dem Kiewer Maidan 2014 wurde von der Politik und Zivilgesellschaft Leipzigs intensiv begleitet, das sich ja seit dem Herbst 1989 als Stadt der Friedlichen Revolution versteht. Die bewegenden Ansprachen des Kiewer Oberbürgermeisters Vitali Klitschko in der Rede zur Demokratie 2021 sowie in der Leipziger Ratsversammlung im März 2022 stehen ebenso für diese Verbundenheit wie die Beziehungen Leipziger Kulturinstitutionen zu ihren Kiewer Partnern.


Fotos und andere Zeugnisse in den Sammlungen des Stadtgeschichtlichen Museums geben einen Einblick in den heute weniger bekannten Beginn und die frühe Vielfalt dieser friedensstiftenden Kontakte. 2022 ist jetzt mehr denn je eine tätige Solidarität mit Kiew und der Ukraine gefragt. Wie gut diese gelingt, hängt jenseits aller politischen Signale auch diesmal an den konkreten Menschen und Begegnungen vor Ort.